Ganz ehrlich - es musste ja so kommen.

 

Wenn der Hifi Virus Dich erstmal komplett befallen hat, wird es zwangsläufig am Ende auch dazu kommen das man sich an Sachen ran traut die man sich eigentlich niemals zu getraut hätte. Ich zum Beispiel dachte immer das ein Tonarm eine hoch komplexe technische Maschine ist, die von studierten Ingenieuren nach unzähligen Jahren Erfahrung konstruiert werden. Soweit meine Vorstellung in Sachen Tonarm, das man tatsächlich selber in der heimischen Werkstatt einen funktionsfähigen Tonarm gebaut bekommt und das dann nur aus Materialien aus dem Baumarkt, hielt ich lange für unmöglich. Aber getreu meinen Motti - Versuch macht klug - und - copy the best and innovate the rest - war der Schritt zu selbst gebauten Tonarmen nicht aufzuhalten.

 

Natürlich braucht man Hilfe, in meinem Fall mein Hifi-Freund Phillip aus der Schweiz (Dr. Phono), mit dem ich ja in allen Hifi Belangen immer im Austausch bin. Was mir allerdings dann den letzten Kick gegeben hat war die fantastische Homepage Schiller-Phono vom Jochen Soppa. Eine der besten Hifi Homepages die ich kenne und eine absolute Empfehlung. Zudem ist der Jochen ein wirklich netter Typ, ich hatte nach dem studieren seiner Seite, ihn einfach kontaktiert per Mail und nach kurzer Zeit auch Antwort erhalten. So sollte es eigentlich immer sein, das man sich einfach gegenseitig unterstützt und hilft.

 

Also wer sich schon immer mal an den Bau eines eigenen Tonarm machen wollte - tut es einfach - das Ganze ist kein Hexenwerk und das Ergebnis ist die Mühen wert. Aber Vorsicht Leute ;-) das ganze entzaubert schnell mal die angeblichen High-End Konstruktionen einiger Hersteller und zeigt das oftmals alles nur mit Wasser gekocht wird und wo dann die exorbitanten Preise herkommen ist mehr als fraglich. Also viel Spaß beim lesen meiner Reise in den Kaninchenbau des eigenen Tonarm.

 

Ich hoffe ich  kann maximal viele Leser hier animieren sich auch mal an diesem Thema zu versuchen. Wie immer gilt, wer was baut und damit zufrieden ist, bitte an mich mailen und berichten - in diesem Sinne - allen viel Spaß.


Ich nenne ihn OPH-1


Ich nenne ihn OPH-1, was soviel wie One Point Heavy 1 heißen soll. Es sollte beim aller ersten Versuch ein schwerer Tonarm werden. Da ich ja den gekaufen Scheu Classic MK1 hier schon lange in Betrieb hatte und sich zeigte das man an so einem leichten Tonarm nicht einfach jeden Tonabnehmer fahren kann, sollte es nun ein schwereres Modell werden. Tonarme selber bauen habe ich begonnen, wie andere kochen. Wer nicht schon als Melzer oder Raue Sterne-Koch zur Welt gekommen ist, der schaut einfach mal was es guten und schmackhaften Rezepten schon gibt ;-) also war das Internet mein Berater und ich habe geschaut was funktioniert und was ist für mich auch zu Hause noch an Metall und anderen Maschinenarbeiten darstellbar. Da ich keine Drehbank zu Hause rum stehen habe und auch sonst eher der einfache Hobby Bastler bin war es klar das eigentlich alles mit der normalen Bohrmaschine und einem Bohrständer zu bewerkstelligen sein musste. Das Prinzip war von vorne herein klar, es sollte wie beim Scheu Classic MK1 ein Einpunkttonarm werden. Damit braucht man keine Lager und keine Drehachsen. Der Tanz auf der Nadel ist somit die einfachste Form einen Tonarm zu konstruieren. Die Länge war auch klar, es musste ein 12 Zoll sein. Ich wollte einfach die schon vorhandene Basis des Scheu Classic MK1 nutzen können. Somit habe ich die Maße alle auf die des Scheu Tonarm übertragen.

 

Effektive Länge:            305 mm

Überhang:                          12 mm

Abstand Mitte/Mitte:   293 mm

 

Der erste Versuch läuft, es gab viele kleine Probleme, wie das richtige Headshell zu bauen und welche Leitungen für die Innenverkabelung man am besten nimmt. Doch er läuft oder er spielt und das schon ganz schön. Natürlich erkennt man im nach herein auch wo man Fehler gemacht hat und was man hätte besser machen können - ABER - am Ende zählt erstmal eines - das Ding spielt. 

 

Zum Aufbau ein paar Details, von Schiller-Phono wusste ich das man ein 8mm Carbon CFK Rohr benutzen kann, allerdings sollte dieses zusätzlich innen mit einem 6mm Messing Rohr verklebt werden. Das hat zwei Vorteile, zum einen wird es schwerer und zum anderen werden die Resonanzen somit vermindert. Ich habe einen 2K Kleber benutzt um das innen Messing Rohr mit dem Carbon Rohr zu verkleben. Wer mit einem metallischen Gegenstand schon mal an ein Carbon Rohr vorsichtig geklopft hat, weiß das dieses tönt. Nach dem Verkleben mit dem Messing Rohr, fällt der gleiche Test fast geräuschlos aus - perfekt. Das eigentlich Aufnahmelager für die Nadel, ist eine M3 Madenschraube und zwar verkehrt herum. Ich nutze die Öffnung für den Inbusschlüssel als Aufnahme der Spitze der Nadel. Ein Stück Messing Rohr mit 8mm Innendurchmesser hat unten eine große Bohrung für die Nadel, ober ein M3 Gewinde für die Madenschraube und an den seiten M3 Gewinde für längere Madenschrauben auf die ich die Balancegewichte gedreht habe, ähnlich wie bei Scheu Cello MK1. Ein tiefer hängendes Gewicht ist immer sinnvoll, also habe ich mir aus einem 24mm Dicken Messing Vollmaterial ein Gegengewicht gebaut, zusätzlich habe ich hinten etwas Schrumpfschlauch auf dem Carbon Rohr und kann somit eine Messing Kugel mit M10 Gewinde als Feingewicht nutzen. Das Headshell ist mit einer Laubsäge aus einer 4mm Carbon Platte gesägt. 

 

Dieser Tonarm hat natürlich auch ein paar negative Eigenschaften die ich nicht unterschlagen möchte. Die ersten Madenschrauben für die Balancegewichte waren viel zu lang, mit den neuen kürzeren ist aber auch die Einstellmöglichkeit nicht mehr wirklich groß, dass meiste muss man nun über das Gegengewicht machen. Das war eigentlich nicht der Plan. Dann neigt dieser Tonarm schon ziemlich zum trudeln um die eigene Achse. Was zwar im Betrieb nicht auftritt, mich aber maximal gestört hat. Ganz klar eine Fehlüberlegung - ABER - wer A sagt muss auch B sagen ;-) und so war ja klar das es einen neuen ganz anders konstruierten Tonarm geben wird ...




Nach 1 kommt 2, der OPH-2


Auf den ersten folgt der zweite Streich. Nach ausgiebigen Testen und einem Brainstorming mit Dr. Phono (Phillip), war klar eine ersten Fehler mussten korrigiert werden. Das dies dann eine komplette Neukonstruktion wird hatte ich mir schon gedacht. Um bei einem Einpunkttonarm das Pendeln und Trudeln zu vermeiden, muss man sich nur teure ähnliche High-End Tonarme ansehen.

 

Die Physik ist nun mal nicht auszuhebeln - kleiner Joke ;-)

 

Der neue OPH-2 sollte wenn möglich eine Art Glocke bekommen und der Aufnahmelagerpunkt der Nadel sollte oben in der Glocke sein. Was lag also näher als beim bewerten Messing Werkstoff zu bleiben und sich einfach im Sanitärbereich umzuschauen. Mit einer Reduziermuffe war die passende Glocke schnell gefunden. Das Tonarmrohr aus der Kombi Carbon mit innen Messingrohr hatte sich absolut bewehrt und wurde wieder so gebaut. 

Never change a running system ;-)

Oben nutze ich einen Verschluss-Stopfen der von seiner Form her sich perfekt anbot. Die Gegengewichte sind diesmal aus einfachen Stahl Ronden in verschiedenen Stärken gemacht, jeweils mit kleinen M3 Gewinden und passenden Madenschrauben. Wer Resonanzen im Tonarm verhindern will sollte mit möglichst vielen verschiedenen Materialien arbeiten. Der OPH-2 sollte modular aufgebaut sein, um so zu vermeiden das man bei Änderungen immer gleich einen neuen Tonarm bauen muss. Eine gute Entscheidung wie sich noch zeigen sollte. Mitten in der Arbeit am neuen Tonarm wurde mir schnell klar das mein Bohrmaschinenständer kein wirkliches Präzisionswerkzeug ist, also Folgekosten, eine vernüftige Tischbohrmaschine musste her. Die Wahl viel auf die Bosch-PBD40, nicht wirklich günstig aber eine gute Wahl. Mit einem zusätzlich vernünftigen Parallelschraubstock lassen sich nun exakte Bohrungen machen, was eine Grundvoraussetzung ist. 

Maße waren wieder mal die des Scheu Cello MK1, die hatten sich ja bewährt. Aber diesmal sollte alles aus meiner Hand kommen, das heißt die Nadel für diesen Tonarm musste auch selbst gebaut werden. Komischerweise gibt es da nichts im Internet was man zweckentfremden konnte. Aber nach etwas Sucherei habe ich mich für gehärtete Stahl-Dart-Spitzen entschieden, diese passen perfekt in eine M5 Bowdenzug-Einstellschraube ;-) einfach den Teil für den Bowdenzug abgesägt und die Dart-Spitze mit 2K eingeklebt. Die ersten Tests auf dem Küchentisch mit halbfertigen, aber ausbalancierten Arm, waren überwältigend gut. Null Pendeln und ein perfekter Rundlauf zeigten eindrucksvoll das es mit großen Schritten in die richtige Richtung ging. 

 

Aufmerksame Beobachter werden sicherlich erkannt haben das der neue OPH-2 nicht an meinem Amazon-Audio 2 Plattenspieler arbeitet, aber das ist noch wieder eine andere Geschichte. Ich hatte mir bei Zeiten einen alten Reibrad Lenco L75 zugelegt und restauriert. Dieser ist nun für alle Tonarme die erste Station zum Testen geworden. Ich denke die Sache mit dem Lenco L75 muss ich dann noch mal ausführlich beschreiben. Eines kurz vorweg, wer Spaß an un-kaputt-baren Hifi Legenden hat, sollte sich unbedingt so ein mechanisches Meisterwerk zu Hause hinstellen - insider Tipp ;-)

 

Der original Tonarm des Lenco L75 hat ja bekanntlich nicht so viele Freunde im Netz und vor allem nicht im Lenco Heaven Forum. Diese V-Block Führung ist wirklich etwas komisch und da ich einfach kein Freund von gelagerten Tonarmen bin, kann ich sagen das der OPH-2 am Lenco L75, mit einem selbst gebauten Raumnadel AT-95 nach Schiller-Phono, absolut fantastisch spielt. Dieser Tonarm ist ein wirklich großer Wurf, egal ob es um die Einstellmöglichkeiten geht oder sonst etwas. Hier spielt DIY auf absolut höchsten Niveau.

 

Der OPH-2 bekommt nun noch an der Basis eine Führung für das Anti-Skating. Als Innenverkabelung habe ich wieder passende HF-Leitungen aus der Bucht bestellt, die sind günstig und erfüllen hervorragend ihren Zweck. Gerade bei Einpunkttonarmen darf die Leitung dem Arm keinerlei mechanischen Widerstand entgegen setzen und diese Leitung tun das auch nicht im Bogen weg geführt. 




Es juckt mich schon wieder


Ich habe beim rum surfen ein paar wirklich faszinierende Ideen für neue Tonarme gesehen und ja ich werde das ein oder andere Nachbauen und ausprobieren. Zwei DIY Lösungen sind nun schon in der nähren Auswahl und es juckt mich tatsächlich gewaltig diese nachzubauen. Ich warne Euch alle hier nochmal eindringlich, wer in diesen DIY Kaninchenbau geht der wird da nicht so schnell wieder raus kommen. Da geht noch einiges ....